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Krabbenfischen zu Pferde

Story: Krabbenfischen zu Pferde

KRABBENFISCHEN ZU PFERDE

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Es ist eine Jahrhunderte alte Tradition: Im belgischen Ostduinkerke ziehen robuste Brabant-Pferde mit schweren Netzen in die See, um im seichten Wasser Krabben einzusammeln. Auch wenn die Ausbeute gering ist – sie schmeckt unvergleichlich gut. Keiner der 12 Krabbenfischer, die das Handwerk noch betreiben, kann davon leben. Manchmal sind es nicht einmal 10 Kilo, die bei einem Fang zusammenkommen. Zu wenig, um damit verlässlich Restaurants oder Märkte versorgen zu können.

Die Krabbenfischer ziehen im Team los

Die Krabbenfischer ziehen im Team los

Es ist Ebbe. Das Meer hat sich weit zurückgezogen. In sanften Hügeln senkt sich der Strand von Oostduinkerke in Richtung Wasser. Der starke Ostwind hat dem Sand kleine Wellen aufgedrückt – ein natürliches Relief von beeindruckender Schönheit, das einen stimmungsvollen Kontrast zu den steilen Dünen bildet. Langsam traben Stefaan Hancke und Chris Vermote auf ihren Brabant-Pferden in Richtung Brandung. Sie gehören zu einem Dutzend Krabbenfischern, die ihren Fang noch auf dem Rücken dieser robusten Pferderasse einholen.

DIE KALTBLÜTER HABEN EINE UNGEHEURE KRAFT.

Sie ziehen lange Fischernetze hinter sich her, mit denen die Krabben gefangen werden. Was hier in den Netzen landet, ist Slow Food. Purer, einfacher, unverfälschter Genuss, der schon auf dem Weg zum Ziel entsteht. Und es ist der perfekte Gegenentwurf zu den riesigen Fischtrawlern, die mit Schleppnetzen die Weltmeere durchpflügen und damit zerstören, was zum sensiblen Gleichgewicht der Unterwasserwelt gehört.

„So könnte ich nicht arbeiten, denn ich liebe das Meer“, erzählt Chris Vermote. „Mit 13 Jahren habe ich hier angefangen, ein Netz hinter mir her zu ziehen und Fische und Krabben zu fangen.” Was ihn besonders faszinierte? „Du spürst die Urgewalt des Wassers, den Sog von Strömung und Gezeiten. Und was du fängst, schmeckt einfach frisch und unverfälscht.“

„Ein schöner Kontrast zum hektischen Alltag"

„Ein schöner Kontrast zum hektischen Alltag"

„Es hat etwas unendlich Meditatives: das Meer, die Wellen, die Wiederkehr von Ebbe und Flut. Ein schöner Kontrast zum hektischen Alltag,” findet der 36-jährige, der mit seiner Frau Nele ein Schnell-Restaurant betreibt. Nele Vermote, übrigens die einzige weibliche Krabbenfischerin, ist zu verdanken, dass sich die Familie Brabant-Pferde zulegte und mit dem Krabbenfischen begann.

Davon leben kann heute keiner mehr

Davon leben kann heute keiner mehr.

Zwar ist es eine aus dem 16. Jahrhundert stammende Tradition mit hohem Wert für Land und Leute. Immerhin so hoch, dass die Unesco 2013 sie zum Weltkulturerbe erklärte. Aber inzwischen ist die Ausbeute der Nordseekrabben zu gering und die Preise dafür zu niedrig, als dass es profitabel wäre. 8 Euro gibt es pro Kilo – und manchmal sind es nicht mehr als 10 Kilo, die die Männer nach Hause bringen. Zu wenig, um damit verlässlich einen Restaurantbetrieb zu versorgen.

Familientraditionen am Leben erhalten

Familientraditionen am Leben erhalten

Auch für Stefaan Hancke, der aus einer alten Landwirtschaftsfamilie stammt, ist Krabbenfischen nur noch wichtiger und schöner Zeitvertreib. Wann immer es seine Auto-Werkstatt zulässt, zieht es ihn zu seinen Pferden und ins Meer. „Wir haben immer Brabant-Pferde gehabt”, erinnert er sich. „Die ungeheure Kraft der Tiere hat mich fasziniert, seit ich ein kleiner Junge war.”

Pferdestärke

Pferdestärke

Die Kaltblüter werden bis zu 20 Jahre alt und an die 1.000 Kilo schwer. Durch ihre kräftige Muskulatur und die kompakte Statur können sie locker mehrere hundert Kilo schleppen. Das müssen sie auch, wenn sie während des Krabbenfischens durch brusthohes Wasser parallel zur Küste waten. Dabei ist es nicht allein der Wasserwiderstand, gegen den sie ankämpfen müssen. An ihrem Schultergeschirr sind trichterförmige Schleppnetze befestigt, die sich durch zwei seitlich befestigte Holzbretter im Wasser aufblähen und zu einem tödlichen Tunnel für die Krabben werden.

Wie das Krabbenfischen zu Pferde abläuft

„Nicht die Strömung treibt die Krabben in die Netze,“ erklärt Stefaan. „Eine lange Kette ist am vorderen Teil des Netzes befestigt, die über den Sandboden schleift, kleine Schockwellen auslöst und damit die Krabben aufscheucht.” Ihr Verhängnis: Sie springen auf und direkt ins Netz. Je mehr es werden, desto schwerer wird das 7x70 Meter lange Netz. Alle 20 bis 30 Minuten kehren die Fischer zum Strand zurück, um die Netze zu leeren und den Fang zu sieben. Jetzt können die Brabant- Pferde ausruhen und die Männer haben genug Zeit, wieder ins Meer zurück zu werfen, was sie nicht gebrauchen können. „Das hat viel mit Nachhaltigkeit zu tun. u kleine und junge Krabben würden das biologische Gleichgewicht stören, weil sie sich nicht mehr vermehren können,” erklärt Chris und fährt fort: „Und auch Fische und Quallen werden aussortiert. Sie würde die Reinheit des Krabbengeschmacks beeinträchtigen. Warum sie also umsonst töten?” Die Auslese wird in die Körbe gekippt, die am hölzernen Sattel der Pferde hängen. Der ist übrigens deshalb nicht aus Leder, weil dies im Salzwasser leiden würde. Und es gibt auch einen guten Grund, warum die Schwänze der Pferde kupiert sind: Ein langer Schweif könnte sich in den Schleppnetzen verfangen und zu Verletzungen führen.

„Garnalenvissers te paard"

„Garnalenvissers te paard"

Gut drei Stunden dauert das Zeitfenster, das die Ebbe den Fischern gewährt, dann steigt das Wasser wieder und es ist Zeit, den Rückweg anzutreten. Jetzt muss es schnell gehen, damit die noch lebenden Krabben in den Körben möglichst frisch im Kochtopf landen. Sie werden in frischem Salzwasser aufgekocht, bis sich ihre hellgraue Farbe in ein leichtes Rosa verwandelt hat. Und dann werden Nachbarn und Freunde eingeladen, mit denen man essen und den Tag gemeinsam ausklingen lassen kann. Denn auch das ist ein wichtiger Teil des Rituals der „Garnalenvissers te paard“, wie die Krabbenfischer in der Region genannt werden: Es ist das Gemeinschaftsgefühl, das sich auf diese Weise stärkt und dem ganzen historischen Unterfangen – und damit auch diesem Fleckchen Erde – hilft, nicht in Vergessenheit zu geraten.

Wer ist Stefaan Hancke?

Wer ist Stefaan Hancke?

Der Krabbenfischer Stefaan Hancke stammt aus einer alten Landwirtschaftsfamilie. Schon als kleiner Junge war er von der ungeheuren Kraft der Brabant-Pferde fasziniert und wünschte sich, es dem Großvater gleich zu tun. Heute züchtet er die Arbeitstiere und bietet auch anderen Krabbenfischern an, ihre Tiere auf seinen Weiden und in seinen Ställen unterzustellen.

Brabant Pferde

Brabant Pferde

Brabant Pferde gehören zu der Rasse der Kaltblüter und werden auch heute noch als Zugpferde in Wäldern und in unwegsamem Gelände eingesetzt. Bei Jungtieren wird die Muskulatur langsam aufgebaut. Erst wenn Nacken und Rücken stark genug sind, dürfen sie schwere Lasten ziehen. Ans Wasser werden die Pferde im Hochsommer gewöhnt, wenn sie bei hohen Temperaturen eine Abkühlung als willkommene Abwechslung empfinden.

So viele frische Krabben, wie Sie essen können

Statt den ganzen Fang in einen großen Kochtopf zu kippen, werden die frischen Nordsee-Krabben auf einer großen Steinplatte ausgebreitet und handverlesen. Nur die Auslese kommt in das sprudelnde Salzwasser und wird auf kleiner Flamme wenige Minuten gekocht. Der Panzer ist sehr fein, der Geschmack so frisch, weswegen Einheimische die Tiere gern mit Kopf und Schale verputzen. Das Pulen geht einfach, wenn man den Trick kennt: Zuerst ist der Kopf dran, dann wird der Panzer vom Bauch aus vorsichtig entfernt, zum Schluss lässt sich der Schwanz mit leicht ruckelnden Bewegungen lösen. Auch die Schalen sind übrigens ein wertvoller Rohstoff: Mit Zwiebeln, Sellerie, Karotten und Tomaten aufgekocht, sind sie die perfekt Basis für eine schmackhafte Krabbensuppe. Die Schalen bleiben im Sieb und werden durch frische Krabben ersetzt. Köstlich!

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